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3 Tage im Harz

Im vergangenen Jahr habe ich angefangen, alleine wandern zu gehen. Für viele mag das erstmal einsam klingen. Und zugegeben: manchmal ist es das auch. Aber sehr oft eben auch nicht. Sehr oft ist es einfach wunderschön, sich in Zug, Bus oder Tram zu setzen, ein Stündchen zu fahren und einfach mal raus aus der Stadt zu kommen. Frischer Wind um die Nase und ganz viel Natur. Dadurch habe ich Chemnitz und vor allem Sachsen nochmal von einer ganz anderen Seite kennengelernt. Und gewisse Freiheiten extrem zu schätzen gelernt. Zum Beispiel die, dass ich mir unter der Woche einen Tag freinehmen und einfach “ausbüchsen” kann aus meinem Alltag. Und ein Studierendenticket ist einfach enorm viel wert.

Ich war dann sogar drei Tage in den Alpen wandern und habe auf Hütten übernachtet – etwas, was ich unbedingt mal machen wollte. Damit habe ich mir also im vergangenen Sommer einen Traum erfüllt. Eigentlich wollte ich dieses Jahr auch wieder in die Berge fahren zum Wandern. Eventuell sogar länger – am liebsten aus den drei Tagen gleich drei Wochen machen. Aber das ist aktuell weder finanziell, noch zeitlich für mich zu stemmen. Ich schreibe nämlich aktuell meine Bachelorarbeit – oder versuche mich zumindest darin. Da ist allein ein Tag Anreise einfach zu viel. Zumal ich natürlich mal wieder mehr dumme Ideen als Zeit habe. Glücklicherweise brauche ich aber gar nicht groß Nachdenken, mein Gehirn kommt gerne von selbst mit neuen Ideen um die Ecke, was man denn so unternehmen könnte. Und so kam mir im April der Harz in den Sinn.

Na gut, dann also in den Harz dieses Jahr. Der ist auch wenigstens nicht so weit weg. Und vielleicht könnte man sich ja von wem ein Zelt ausleihen und auf Campingsplätzen übernachten? Nach einer kurzen Recherche hat sich nämlich herausgestellt, dass Biwakplätze inzwischen auch mehr und mehr nach Deutschland kommen, aber ihren Weg leider noch nicht den Harz gefunden haben. Schnell ist eine Route gefunden mit einer Anreise von gerade einmal vier Stunden. Schließlich noch ein Datum und die Campingplätze buchen. An der Stelle wird es etwas tricky, weil ich den Mittwoch vor Pfingsten starten will und die meisten Campingplätze an dem Wochenende bereits ausgebucht sind (kommt davon, wenn man erst im Mai buchen will). Also werden es eben nur drei Tage. Aber drei Tage sind besser als nichts sage ich mir.

Am Vortag bin ich noch sehr gestresst, weil viel zu erledigen ist, noch Termine anstehen und ich eigentlich mehr als genug zu tun habe. Eigentlich könnte ich doch einfach zu Hause bleiben und meinen Berg an Aufgaben abarbeiten. Kann man auch als “Bergsteigen” bezeichnen, wenn man will. Aber gebucht ist gebucht und Stornieren geht nicht mehr (bzw. wird es teuer). Also packe ich am Abend noch meinen Rucksack, mit geliehenem Zelt und Essen und geliehener Wanderkarte. Denn: wenn schon eine Auszeit, dann richtig. Also auch vom Handy und dieser ganzen hektischen Gesellschaft. Was nicht heißt, dass ich mein Handy nicht dabei habe. Klar, für den Notfall und um am Freitag eine Bahnverbindung rauszusuchen ist es super. Eigentlich wäre zu der Karte ein Kompass auch noch richtig schlau, aber den habe ich nicht und verpeilt rumzufragen, ob mir jemand sowas leihen könnte. Nun ist es zu spät.

Ich mache mich also am 1. Juni gegen 5 Uhr morgens auf den Weg zum Bahnhof. Glück für mich: das 9€-Ticket gilt endlich. Pech für mich: Im Zug sind tatsächlich welche, die nach Sylt wollen und um 5:30 Uhr ihr prompt ihr erstes Bier aufmachen. Ich bin froh, in Leipzig anzukommen und gönne mir dort ein kleines Frühstück. Da ich bereits auf der Hinfahrt mein Handy nicht nutzen will, fällt mir auf, wie sehr wir alle immer dran hängen. Außer mir frühstücken bei dem Bäcker drei weitere Leute und alle haben mit ihrem Smartphone zu tun. Unter anderen Umständen würde auch ich an meinem hängen, aber gerade bin ich froh, dass es im Rucksack ist. Um kurz nach 10 Uhr komme ich in Bad Sachsa an und mache erstmal einen kleinen Umweg in den Ort, wo ich dann tatsächlich einen einfachen Kompass erstehen kann. Nun geht es mit Karte und Kompass weiter aus der Stadt raus und rein in den Wald. Immer wieder gibt es große Flächen, die von Stürmen zerwütet oder wo großflächig Bäume gefällt wurden. Schließlich komme ich wieder durch einen kleinen Ort und im Anschluss geht es über Serpentinen weiter hinauf. Gefühlt laufe ich dabei mehr Kilometer, als eigentlich sein müsste. Aber nun gut. Ein Energieriegel und meine Laune ist wieder top. Fröhlich laufe ich weiter. Dabei begegnet mir den ganzen Tag eher selten jemand auf meinen Wegen. Immer wieder scheint die Sonne, aber irgendwann türmt sich eine dunkle Wolkendecke auf. Es ist bereits am Nachmittag und ich bin nicht mehr weit von meinem Ziel entfernt. Ob ich es noch schaffe, trocken anzukommen? Dort wäre eine Bushaltestelle und in etwa zwei Stunden würde sogar ein Bus in die richtige Richtung fahren. Aber ich bin nicht in den Harz gekommen, um Bus zu fahren und laufe also weiter. Ich komme durch ein Langlaufgebiet, erkennbar an den Markierungen der Loipen. Allerdings haben hier die letzten Stürme extrem deutliche Spuren hinterlassen und der Ferne sind auch Kettensägen zu hören. Vermutlich werden dort die Schäden halbwegs beseitigt. mancherorts sind die Bäume einfach komplett mit Wurzeln umgekippt und tragen jetzt trotzdem wieder Blätter. Schon etwas bizarr. Schließlich fängt es an zu tröpfeln und steigert sich tatsächlich irgendwann in richtigen Regen. Kurz vor einer Straße beschließe ich also, die Regenjacke anzuziehen und die Regenhülle über den Rucksack zu machen. Doch ein paar Minuten später hört es schon wieder auf. Mir egal, irgendwie habe ich sowieso gerade gute Laune. Nicht mehr lange und ich bin am Campingplatz angekommen. Bilanz des Tages: etwa 19 km. Erstmal das Zelt aufbauen, ein bisschen dehnen und kurz etwas essen. Das Zelt lädt leider nicht so zum Verweilen ein, weil es ein Ein-Mann-Biwakzelt ist und lediglich genug Raum zum Schlafen bietet. Allerdings wird es bald frisch, ich gehe also duschen und verkrieche mich zurück ins Zelt, esse noch ein bisschen was und lese. Zwischendurch regnet es wieder und ich genieße den herrlichen Luxus von Regentropfen, die aufs Zelt prasseln. Solange man nicht Gefahr läuft abzusaufen, ist das eins der schönsten Geräusche für mich!

Am nächsten Morgen bin ich früh wach, bleibe aber noch etwas liegen und öffne schonmal das Zelt. Kaum zu glauben, aber wahr – strahlend blauer Himmel! Gut, wenn man den Kopf ein bisschen rausstreckt, sieht man ein paar Wolken, aber dazu ist es ja sowieso noch zu frisch. Irgendwann stehe ich dann doch auf, ziehe mich etwas wärmer an und mache mich an mein Morgen-Chaos: Zelt abbauen und in die Sonne zum Trocknen hängen, Frühstücken, fertig machen, abspülen, Umziehen und mit Sonnencreme eincremen und alles irgendwie wieder in den Rucksack bekommen. Das ist eindeutig noch ausbaufähig. Dennoch komme ich so gegen 8 Uhr los und bin schnell auf dem gewünschten Weg, da ich am Vortag bereits am Schild vorbeigelaufen bin. Es ist ein herrlich sonniger Tag und die Wege sind derzeit noch gut ausgeschildert. Glück für mich, denn ich habe im vergangenen Jahr gelernt, dass ich gerne mal dazu neige Wegmarkierungen zu übersehen. Ich will an diesem Tag hoch auf den Brocken, bevor es weiter Richtung Bad Harzburg geht. Auf der Karte habe ich nämlich gesehen, dass der quasi auf der Mitte meines Weges liegt und da kann ich ja nicht einfach so dran vorbeilaufen! Ich befinde mich nun im Nationalpark Harz und so gibt es auch Schilder mit Erklärungen. Beispielsweise dachte ich am Vortag, dass die großen Flächen abgestorbener Nadelbäume Folgen des Klimawandels und Borkenkäfers sind. Teilweise sind viele gerodete Flächen tatsächlich dem Borkenkäfer geschuldet. Allerdings wird – typisch Nationalpark – die Natur hier größtenteils sich selbst überlassen und damit geht auch einher, dass die Monokulturen von Fichten nicht weiter betrieben werden. Es entstehen also neue, diversere Räume im Wald. Nachzulesen gibt es das genauer hier. Je näher ich dem Brocken komme, desto mehr Menschen begegne ich auch. Schließlich wandelt sich der Weg von Schotter hin zu einer Art Betonplatten. Gar nicht zu meiner Freude, gerade beim Wandern finde ich es abscheulich, auf Asphalt oder Ähnlichem zu laufen. Ich sehe zum ersten Mal die berühmte Harzer Schmalspurbahn und halte etwas später sogar an, um Fotos zu machen. Schließlich geht es auf einer Straße zum gipfeln. Für mich sind es Massen, die sich hier hochbewegen. Surrende E-Bikes, Menschen auf Mountainbikes und Gravelrädern. Außerdem enorm viele zu Fuß, unter anderem auch ein Schulausflug. Oben kommen dann noch die hinzu, die mit der Bahn hochgefahren sind. Allerdings bin ich wie angepeilt um 12 Uhr an meinem Ziel. Allerdings fällt die Mittagspause kürzer aus als gedacht – ich esse schnell mein Brot, mache noch ein paar Fotos (siehe Titelbild) und begebe mich dann schleunigst auf den Weiterweg. Der ist dummerweise auch mit diesen komischen Platten versehen. Bergab ist das noch schlimmer, als bergauf. Grundsätzlich ist bergab nämöich richtig anstrengend meiner Meinung nach. Schließlich komme ich zu einem Stausee, wo der Weg endlich besser wird. Bei dem strahlend guten Wetter wäre es eine willkommene Abkühlung, etwas im See zu schwimmen. Aber leider ist das verboten, also weiter geht’s. Mit Hilfe der Hinweisschilder, Karte und Kompass versuche ich, mich aus einem möglichst guten Winkel an Bad Harzburg heranzupirschen, um nicht unnötig viel Strecke in der Stadt zurücklegen zu müssen. Außerdem gerate ich langsam unter Zeitdruck, denn ich will nicht zu spät am Campingplatz sein, da ich keine Ahnung habe, wie lange man sich dort anmelden kann. Und Abendessen brauche ich tendenziell dann auch noch und so langsam ist die ganze Aktion hier auch etwas anstrengend. Natürlich ist mein Versuch auch nicht von Erfolg gekrönt. Ich bin zwar irgendwann in Bad Harzburg, doch habe keine Ahnung, wo genau und wo ich lang muss Richtung Campingplatz. Jetzt wäre so ein Handy schlau, was einen einfach ortet… Schließlich erkenne ich, in welche Richtung ich laufen muss und komme irgendwann an meinem Ziel an. Ich baue das Zelt grob auf (die Heringe wollen leider nicht in den Boden) und gehe nochmal kurz in den Supermarkt. Zurück auf dem Platz leihe ich mir einen Hammer aus, doch die Sache wird nicht so viel besser. Zwar steht das Zelt, aber gut abgespannt sieht anders aus. Naja, für eine Nacht wird es wohl reichen. Bilanz des Tages: definitiv über 30 km!

Am nächsten Tag werde ich etwas später wach und quäle mich auch dementsprechend etwas später aus dem Schlafsack. Trotzdem komme ich wieder um kurz nach 8 Uhr los, weil ich bereits routinierter bin. Erstmal geht es durch die Stadt und zwischendurch verliert sich mal wieder die Wegmarkierung. Doch gerade der Kompass hilft zu peilen, in welche Richtung man möchte. Meine Füßen schmerzen noch vom Vortag und zwischendurch überlege ich, ob ich nicht doch lieber einfach einen Bus nehmen sollte. Aber so sehr tun sie dann doch nicht weh. Nach circa 15 km komme ich dann in Goslar an. Es ist ein sehr warmer, sonniger Tag und so genehmige ich mir eine Waffel mit Eis zur Belohnung. Ich schaue mir noch ein wenig das Städtchen an und genieße das Flair, welches durch eine Musikgruppe noch verschönert wird. Schließlich mache ich mich auf den Weg zum Bahnhof, wo ich auch das erste Mal mein Handy wieder nicht nur dazu nutze, auf die Uhr zu schauen. Der Zug kommt bereits verspätet in Goslar an und ich überlege kurz, einfach noch eine Stunde zu warten und ein Verbindung mit weniger Umstiegen zu nehmen. Entscheide mich aber dagegen. Meinen anschließenden Umstieg verpasse ich, weswegen ich bis nach Magdeburg mitfahre. Und hier bereue ich meine Entscheidung, nicht noch eine Stunde in Goslar gewartet zu haben. Denn es ist Freitagnachmittag, vor Pfingsten und noch dazu gilt das 9€-Ticket. Es wollen also ganz, ganz viele Menschen mit der Bahn irgendwo hinfahren und manche versuchen es selbst mit Fahrrad, aber ich bin froh, überhaupt noch einen Platz im Stehen im Zug nach Leipzig bekommen zu haben. Der hat dann natürlich auch entsprechend Verspätung, sodass ich meinen Anschluss verpasse. Aber naja, wer mit der Bahn fährt, sollte da ein wenig Entspannung mitbringen. Im letzten Zug sitzen dann auch andere Studierende meiner Uni, sogar jemand aus dem StuRa und es wird eigentlich noch ganz lustig.

Ein paar kleine Tipps/Tricks:

  • Zahnputztabletten lassen sich in kleiner Stückzahl im Unverpackt-Laden kaufen und passen in einem Plastiktütchen überall rein
  • fürs Frühstück am besten Müsli schon zu Hause mischen, eventuell mit Trockenobst und dann einfach Sojamilchpuler (Asia-Laden) mit Wasser anrühren und dazu (am besten auch noch etwas Proteinpulver)
  • möglichst wenig außen an den Rucksack hängen – wer jedoch wie ich nicht den ganz großen Rucksack nehmen möchte, kann auch Schlafsack oder Zelt in einen wasserdichten Packsack packen und mit etwas Paracord am Rucksack befestigen, dann hat man gleich noch etwas Paracord dabei
  • Outdoor-/Barfusssocken sind prima, um auf dem Zeltplatz nicht barfuß über die Schotterwege laufen zu müssen – nehmen aber weniger Platz & Gewicht ein, als zum Beispiel Flipflops
  • morgens erst Zelt abbauen und zum Trocknen aufhängen, dann frühstücken!
  • Karte und Kompass sind super Wegbegleiter und sorgen dafür, dass man sich auf sich selbst und seinen Orientierungssinn verlässt und nicht einfach auf das Handy, welches einen eventuell auch falsch ortet, gerade im Wald